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gesetzliches Widerrufsrecht nach niederländischem Recht

Immobilienkaufvertrag

Das niederländische Recht enthält in dessen Bürgerlichen Gesetzbuches (BW) entscheidende verbraucherschützende Regelungen, die es beim Immobilienerwerb/-verkauf in den Niederlanden zu beachten gilt.

Ist der Käufer Verbraucher d.h. eine natürliche Person, die nicht in Ausübung eines Berufs oder zu betrieblichen Zwecken tätig wird, bedarf der Kaufvertrag über eine Immobilie zu privaten Wohnzwecken zwingend der Schriftform, um eine Bindungswirkung zu entfalten.[1] Gleiches gilt bei Kaufverträgen über noch zu errichtende Wohngebäude für den privaten Gebrauch.[2] Eine notarielle Beurkundung des Kaufvertrages ist hingegen nicht notwendig. Erst die Übertragung des Eigentums, die durch die Unterzeichnung der notariellen Lieferungsakte (sog. akte van levering) durch den Käufer und Verkäufer vollzogen wird, bedarf der notariellen Beurkundung und der anschließenden Registrierung im Kataster.[3] Im Übrigen besteht die Besonderheit, dass Immobilienkaufverträge in den Niederlanden auch mündlich geschlossen werden können.

Weiterhin gilt zu beachten, dass Kaufverträge in den Niederlanden häufig als Kaufvorvertrag („voorlopige Koopovereenkomst“) bezeichnet werden, jedoch rechtlich bereits bindend sind und regelmäßig endgültige wichtige rechtliche Bestimmungen enthält, zu denen die Immobilie später übertragen werden soll.

Sobald dem Käufer eine Abschrift des beiderseits unterzeichneten Kaufvertrags übergeben wurde, stehen diesem eine gesetzliche dreitägige Bedenkzeit (bedenktijd) zu, innerhalb der er den Kaufvertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen kann.[4] Die Frist kann vertraglich verlängert, aber nie verkürzt oder gar ausgeschlossen werden. Sie beginnt um 0 Uhr des Folgetages an dem der Käufer den unterzeichneten Kaufvertrag erhalten hat. Zwei der drei Tage müssen Werktage sein. Endet die Frist auf einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, so ist das Fristende erst mit Ablauf des folgenden Werktages erreicht. Wichtig ist dabei, dass das Fristende erst mit Zugang der Widerrufserklärung beim Verkäufer gewahrt wird, die Abgabe allein reicht gerade nicht aus. Mit dem Widerruf entstehen für den Käufer keine nachteiligen Konsequenzen, mit Ausnahme der Notargebühren oder der Kosten des Immobilienmaklers, die für das Aufsetzen des Kaufvertrags in Rechnung gestellt werden können.

In Deutschland gibt es ein gesetzliches Widerrufsrecht beim Kauf einer Immobilie so nicht. Eine Ausnahme bildet das Widerrufsrecht im Fall eines Verbraucherbauvertrages, das jedoch nur bei einem isolierten Verbraucherbauvertrag Anwendung findet und im Zusammenhang mit einem notariellen Kaufvertrag gerade nicht gilt. Ansonsten gilt es zwischen einem vertraglich vereinbarten Widerrufsrecht und dem gesetzlichen oder ggf. vertraglich vereinbartem Rücktrittsrecht zu differenzieren.

Ein Widerrufsrecht kann freiwillig in den notariellen Kaufvertrag mit aufgenommen werden und gewährt beiden Seiten die Möglichkeit, sich nach dem gesetzlichen Leitbild des Widerrufs innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen vom Kaufvertrag zu lösen.

Ebenfalls kann im Kaufvertrag ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart werden, das im Einzelfall dem Käufer oder Verkäufer bei Eintritt bestimmter Umstände die Möglichkeit gewährt, sich einseitig vom Kaufvertrag zu lösen. Das vertragliche Rücktrittsrecht kann im Einzelfall das gesetzliche Rücktrittsrecht ersetzen oder ergänzen.

Der Verkäufer kann nach dem gesetzlichen Rücktrittsrecht in der Regel nur bei Zahlungsverzug des Käufers vom Kaufvertrag zurücktreten. Mit dem Rücktritt gehen meist Schadensersatzforderungen des Verkäufers gegen den Käufer einher, die Rechtsverfolgungskosten, Notarkosten für die Rückabwicklung des Kaufvertrages, entgangener Gewinn etc. beinhalten können.

Dem Käufer steht hingegen ein gesetzliches Rücktrittsrecht, vorbehaltlich eines wirksamen Gewährleistungsausschlusses, der regelmäßig bei gebrauchten Immobilien vereinbart wird und wirksam vereinbart werden kann, nur bei erheblichen Sach-/ oder Rechtsmängel zu. Sofern beim Kauf einer gebrauchten Immobilie ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde, greift dieser jedoch dann nicht, wenn ein Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie vom Verkäufer übernommen wurde. Zu beachten gilt, dass beim Kauf eines Neubaus oder so zu behandelnder Häuser ein Gewährleistungsausschluss auch individualvertraglich nur unter erhöhten Voraussetzungen, namentlich einer ausführlichen Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen samt eingehender Erörterung durch den Notar, ausgeschlossen werden kann.

Fazit: Der Unterschied in den beiden Rechtssystemen beruht maßgeblich auf den unterschiedlichen Formerfordernisses. Während in Deutschland die notarielle Beurkundung erhöhten Schutz vor Übereilung und Richtigkeit bietet und folglich dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) den Vorrang gewährt, verfolgt die Niederlande ein weniger formalen Ansatz, bei dem das vermeintlich schwächere Formerfordernis im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch ein dreitägiges Widerrufrecht kompensiert wird.


Die Autorin, Jana Nowotny, ist als Anwältin (advocaat) bei der Kanzlei BUREN N.V. tätig und berät ihre Mandaten zum niederländischen Immobilienrecht. Sie hat diesen Beitrag gemeinsam mit Steffen Kaiser, Ass. jur. aus Heidelberg geschrieben, der im Sommer 2020 einen Auslandsaufenthalt während des Referendariats bei der internationalen Kanzlei BUREN in Amsterdam hatte. BUREN N.V. berät ihre Mandanten über niederländisches Recht.

Ansprechpartner bei BUREN:

Jana Nowotny

+31 646123972
+31 70 3184200

Friederike Henke
Leiterin des German Desk

+31 6 47582658
+31 20 3338390


Quellen:
[1] Art. 7:2 BW.
[2] Art. 7:766 BW.
[3] Art. 3:89 BW.
[4] Art. 7:2 BW.